Das Wählen von Pfeifen und Politikern

Es kommt nicht selten vor, dass mich eine unsichtbare Macht in der einen oder anderen Mittagspause zum Kölner Neumarkt zieht. Wie zufällig schlendre ich dann bei meinem Lieblingspfeifengeschäft in der Hahnenstraße vorbei. Und gerade, wenn ich fast vorüber gegangen bin, greift die geheimnisvolle Macht wieder nach mir und zieht mich hinein ins Haus der 10.000 Pfeifen von Peter Heinrichs. Und dann stehe ich dort und lasse mich inspirieren.

Noch Fragen?

Meistens schaue ich mich einfach ein wenig um, gehe auf Entdeckungsreise und halte ein kleines Schwätzchen, oft mit Peter Heinrichs selbst. Und manchmal – ja manchmal schlage ich zu. Dann kaufe ich mir einen tollen Tabak, der mich neugierig gemacht, oder eine Pfeife, deren Schönheit mich beeindruckt hat. Aber manchmal, wenn ich nichts dergleichen finde, verlasse ich das Geschäft, ohne einen Kauf getätigt zu haben. Noch nie habe ich erlebt, dass Peter Heinrichs mir in irgendeiner Art Vorwürfe gemacht hätte, weil ich nichts gekauft hatte. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum ich immer gerne wiederkomme, und hin und wieder dann doch etwas kaufe.

Wie anders ist das mit der Bundestagswahl! Wenn ich mir das Angebot ansehe und feststelle, dass nichts Passendes für mich dabei ist, dann hagelt es Vorwürfe. Vom „Man muss doch wählen gehen!“ über „So unterstützt du extreme Parteien!“ bis hin „Du verrätst unsere Demokratie!“ ist alles dabei. Und das obwohl mich doch gar keine Schuld daran trifft, dass im Supermarkt der Parteiangebote nicht das richtige Produkt für mich im Regal steht. Seltsam, nicht wahr?

Nun ja, nicht ganz Immerhin gilt es inzwischen als Bürgerpflicht wählen zu gehen. Mehr noch, neben rassistischen oder frauenfeindlichen Äußerungen scheint das Nichtwählertum auf der Empörungsliste von uns Deutschen ziemlich weit oben zu rangieren. So nimmt es auch kaum wunder, dass in diesem zurzeit tosenden Wahlkampf neben Angelas Halskette, Peers Mittelfinger und Jürgens Jugendsünden die eine Botschaft besonders hell strahlt: Geh wählen!

Vielleicht ist es die bloße Ahnung, dass in diesem Wahlkampf thematisch niemand etwas Handfestes zu bieten hat. Vielleicht wittern unserer Medienhäuser aber auch nur die Chance sich endlich einmal ohne große Investitionen in guten Journalismus als vierte Macht im Staate, will sagen: als die moralische Macht zu inszenieren. Was auch immer der Grund ist, jedenfalls wurde ich während dieses Wahlkampfs medial mit dieser einen Botschaft nachgerade bombardiert: Geh wählen! Und sie fühlt sich dabei oft eher wie ein Befehl an als wie ein Argument.

Aber was, wenn ich der Überzeugung wäre, dass wirklich alle Parteien mit einem ernstzunehmenden Programm dieses Jahr mindestens einen Punkt auf der Agenda haben, den ich unter keinen Umständen akzeptieren will? Nun, hätte ich dann nicht die moralische Pflicht den Laden des politischen Angebots wieder zu verlassen, ohne mich für eines der Angebote zu entscheiden? Wie soll denn sonst der Ladenbesitzer erfahren, dass er etwas ändern muss?

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich tun sollte. Ich denke, ich werde eine Pfeife rauchen – vielleicht die neue Stafano, die ich mir neulich während einer meiner Mittagspausenausflüge bei Peter Heinrichs gekauft habe – und dabei darüber nachdenken, ob ich wählen sollte. Diese Freiheit noch einmal darüber nachzudenken sei mir doch gestattet, oder muss ich mich bereits jetzt als moralisch geächtet betrachten?

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3 thoughts on “Das Wählen von Pfeifen und Politikern

  1. Antagonist!
    Nein, mal Spaß beiseite. :)
    Soweit interessante Gedanken.
    Aber um einmal auf deine Analogie des “politischen Ladens einzugehen”; obwohl mir der Vergleich Agenda – Produkt irgendwie zuwider ist:
    Sie ist komplett daneben.
    Laut dieser Analogie, wäre das Parlament als Ganzes, anhand deiner Nichtwahl, dazu aufgefordert, zu reflektieren.
    Das ist kompletter Nonsens, denn du wählst/nichtwählst nicht das Parlament sondern eine Partei. Dort wäre deine Entscheidung zu spüren.
    Also den Laden zu verlassen, um “den Ladenbesitzer erfahren zu lassen, er solle was ändern”, würde keinen Sinn machen.

    Falls du aus Prinzip nicht wählst, sei dir gesagt:
    Nichtwahl ist quasi nichts weiter, als die individuelle Verweigerung von Demokratie. Somit ist das Nichtwählen in seiner Wirkung schonmal unmöglich ein freiheitliches oder gar politisches Statement.
    Es sei denn, du hast die Intention, zu einer Tyrannei, Oligarchie, Aristokratie, Monarchie – ach, such dir was aus, beizutragen.

    PS: Die Freiheit, darüber nachzudenken, wählen zu gehen, hast du weil andere wählen gehen. Das hält sie am Leben – die Freiheit, die Demokratie.
    Denk’ mal drüber nach.

    MfG,
    der Benny.

    • Hi Benny,
      danke für deinen engagierten Kommentar!
      Fangen wir beim Ende an: die Freiheit über etwas nachzudenken habe ich nicht, weil andere wählen, sondern weil ich für mich in Anspruch nehme einen aufgeklärten Geist zu besitzen.
      Dann mal zum Mittelteil: wer nicht wählt, versündigt sich meiner Meinung nach nicht notwendigerweise an der Demokratie. Es kommt doch vielmehr auf die Begründung an. Eine Begründung könnte etwa auch die Überzeugung sein, dass eine Basisdemokratie das bessere System ist. Oder eben die Ansicht, dass es zurzeit bei jeder ernsthaften Partei gewichtige Gründe gibt, die einem die Wahl derselben unmöglich macht. In diesem Fall wäre der Ladenbesitzer nicht eine Partei oder das Parlament sondern die politische Kaste als Ganzes.
      Und zum Schluss noch zum Anfang deines Kommentars: was meinst du denn mit Antagonist? Wenn du damit meinst, dass ich ein wenig Spannung in den allgemeinen Common Sense bringen und zum Nachdenken anregen will: Treffer! Wenn du sagen willst, ich sei dagegen, um dagegen zu sein: voll daneben!
      Beste Grüße und schönen Sonntag
      Patrick

      • Sehr gern. :)

        “…sondern weil ich für mich in Anspruch nehme einen aufgeklärten Geist zu besitzen.”

        Das will ich nicht bestreiten. Und ich denke auch, dass Demokratie wichtig ist, diesen aufgeklärten Geist zu äußern.
        In diese Richtung ging mein Gedanke.

        Ich denke, wenn man Nichtwählen mit Unmut über das gegenwärtige System begründet, ist das ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite verweigert man sich einem System, dass einem zuwider ist, aber ändert damit auch nicht wirklich jenes System, und entzieht sich so der Verantwortung.
        Ich denke, wer mit dieser Begründung nicht wählt, muss dann halt selbst politisch aktiv werden, um seine Nichtwählen zu legitimieren. Ansonsten ist er halt unpolitisch.

        Mein Statement war eher an Politikdesinteressierte, als an Politikverdrossene gerichtet.
        Will nicht heißen, dass ich dich als solchen sehe. :)
        Da habe ich vorhin wohl etwas falsch gezielt.

        Aber dass man mit einer Partei zu hundert Prozent d’accord gehen muss, um sie für wählbar zu befinden, finde ich irreal.
        Man wählt letztendlich doch nur das kleinere Übel.

        Der “Antagonist” war scherzhaft. :D
        Ich wusste ja, was du mit dem Artikel bezwecken wolltest und hatte Lust mitzuziehen.
        Öffentlicher Diskurs lebt vom konstruktiven Polarisieren.
        Danke dafür. :)

        Ebenfalls beste Grüße,
        und einen schönen (Wahl)sonntag, :D

        Benny.

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