Die unterschiedliche Geschwindigkeit der Zeit

Die Zeit - laut unserer Uhr vergeht sie für alle gleichschnell. Aber ist die abgelesene Zeit auch die wirkliche Zeit?

Könnt Ihr Euch noch erinnern? Wir waren noch Kinder. Es war der erste Tag der Sommerferien. Mein Gott, sechs endlose Wochen ohne Schule hatten wir vor uns. Wochen absoluter Freiheit. Das nächste Schuljahr schien ein halbes Leben entfernt. Vielleicht sogar noch weiter.

Oder denkt mal daran, wie es war, als Ihr am ersten Dezember ein Türchen im Adventskalender geöffnet hattet. Diese 23 Tage bis Weihanachten erscheinen Euch ganz bestimmt auch wie eine Ewigkeit. Jedenfalls ging es mir so, als ich ein Kind war.

Zukunft und Gegenwart waren irgendwie viel weiter von einander entfernt als heute, da ich nun fast vierzig bin. Die Zeit verging langsamer. Heute ist das ganz anders. Und ich könnte wetten, Euch geht es genauso. Sechs Wochen? Einmal geblinzelt, und sie sind um. Über 23 Tage brauchen wir da gar nicht erst zu reden.

Ich dachte immer, das hätte seine Ursache darin, das wir als Erwachsene einfach viel mehr zu erledigen haben als Kinder. Bringt man dann noch in Anschlag, dass wir uns in einer zunehmend schnelllebigen Zeit befinden, so wird klar, woher diese unterschiedliche Zeitwahrnehmung kommt: Weil die Zeit für all unsere „To Dos“ kaum auszureichen scheint, kommt sie uns eben kürzer vor als früher, da wir noch Kinder waren und nicht so viele Dinge zu tun hatten. Ohne Zweifel, das ist eine Erklärung für das beschriebene Phänomen. Aber ist es auch die Wahrheit?

Wer kann das schon mit Sicherheit sagen? Wie auch immer, jedenfalls bin ich in der letzten Woche auf einen anderen Erklärungsansatz gestoßen. Grund dafür waren die Bemerkung eines Freundes, den ich lange nicht gesehen hatte, und Tom Cruise.

Beginnen wir bei meinem alten Freund. Ich traf ihn zufällig am Bahnhof, als ich meinen 8.33 Uhr Zug nach Köln zur Arbeit nahm. Er wusste nichts von meiner Leidenschaft für das Pfeiferauchen. Wir plauderten über dies und das. Schließlich dann auch über das neue Rauchverbot in NRW. Bei dieser Gelegenheit erwähnte ich mein Hobby. Er lachte und fragte mich – an den genauen Wortlaut kann ich mich nicht erinnern – so etwas wie: „Bist du nicht ein bisschen jung für’s Pfeiferauchen?“

Selbstverständlich führte ich diese Bemerkung umgehend ad absurdum. Und mein Freund musste seinen Irrtum einsehen. Dessen ungeachtet glaube ich, dass er für seine kleine Neckerei lediglich ein gängiges Vorurteil bemühte: Pfeifenraucher sind alt.

Als ich dann später am Tag noch einmal über die Bemerkung meines Freundes nachdachte, kam mir ein Film mit Tom Cruise in den Sinn, den ich kürzlich gesehen hatte. Ohne näher auf die Geschichte des Films – er heißt Minority Report und ist durchaus empfehlenswert, finde ich – einzugehen, handelte er auch von einer Prophezeiung, in der eine alte Frau eine gewisse Rolle spielte. Die alte Dame rauchte Pfeife. Ich weiß noch, wie ich dachte: Seltsam, eher ist man bereit, das Klischee über Bord zu werfen, alle Pfeifenraucher seien männlich, als mit dem Vorurteil zu brechen, dass Pfeifenraucher heutzutage mindestens Mitte fünfzig, am besten aber Mitte siebzig seien. Offenbar gibt es dieses Vorurteil wirklich.

Peter Heinrichs, Patrick Nuo und Joey Heindle (v.l.n.r.) stellten den Dschungeltabak auf Peter Heinrichs' Smokertreff im April dieses Jahres vor

Übrigens empfinde ich es überhaupt nicht als Kränkung. Alt zu sein ist ja keine Schande, sondern vielleicht sogar ein Privileg. Das Wort „Weisheit“ leitet sich nicht umsonst aus dem Weiß der Haare älterer Menschen ab. Aber das in Rede stehende Vorurteil entspricht nun einmal nicht der Wahrheit. Und daher ist es gut, dass sich der Kölner Pfeifen und Tabakhändler Peter Heinrichs und der amtierende Dschungelkönig Joey Heindle dagegen einsetzen.

Die beiden haben einen Dschungeltabak nebst passender Pfeifenkollektion auf den Markt gebracht. Mit Joey Heindle, der vor rund zwei Wochen 20 Jahre alt geworden ist, im Boot geht es Heinrichs offensichtlich um die Ansprache jüngerer Zielgruppen. Wie auch immer dem sei, den Dschungeltabak, eine leichte und aromatische Mischung mit starker Mangonote, kann ich jedenfalls sehr empfehlen – auch älteren Pfeiferauchern.

Aber ich komme ein wenig vom Thema ab. Wovon ich ja eigentlich berichten wollte, ist mein Erklärungsansatz für die Tatsache, dass für Kinder die Zeit offenbar langsamer vergeht als für Erwachsene. Wer mich jetzt allerdings einen Abschweifer schimpft, dem will ich umgehend lügen strafen. Denn die Sache ist die: die unterschiedliche Zeitwahrnehmung und das Vorurteil über das Alter von uns Pfeifenrauchern haben meiner Meinung nach dieselbe Ursache.

Aber jetzt mal wirklich zum Punkt: Ich hatte letzte Woche die zugegeben etwas gewöhnungsbedürftige Idee, dass es eine von unserem Alter abhängige Geschwindigkeit der Zeit gibt. Je jünger wir sind, desto langsamer vergeht unsere Zeit. Das würde alles Erklären. Kinder, für die das Warten auf das Christkind eine Ewigkeit ist. Erwachsene, für die Jahre vorüber fliegen als wären sie Fußgänger auf einer Autobahn. Alte Menschen, deren Reaktionsfähigkeit nachlässt und für die sich die Welt viel zu schnell dreht. Nun ja, und natürlich auch alte Menschen, denen der langwierige Prozess des Pfeifestopfens und das zweitaufwendige Pfeiferauchens gar nicht langwierig und zeitaufwändig vorkommt, weil für sie die Zeit schneller vergeht als für die jüngeren unter uns.

Dieser Theorie zufolge sind also nicht Kinder schneller als ältere Menschen, und ältere Menschen sind nicht langsam. Nein, nein, die Zeit vergeht nur mit einer anderen Geschwindigkeit, je nachdem in welcher Lebensphase wir uns gerade befinden. So gesehen hat es doch einen Vorteil, ein relativ junger Pfeifenraucher zu sein: Das halbe Stündchen mit meiner Pfeife vergeht für mich persönlich viel langsamer als für meine älteren Pfeifenfreunde.

Nun mag sich diese Theorie für meine – in der Mehrheit älteren – Freunde des 1. Kölner Pfeifenclubs wie eine philosophisch verbrämte Rechtfertigung für meine schlechten Zeiten beim Pfeife-Langsamrauchen lesen. Und vielleicht ist da ja etwas dran. Auf der anderen Seite: Wer kann schon von sich behaupten, der Zeit das letzte Geheimnis abgetrotzt zu haben? Ich nicht, Albert Einstein nicht und Ihr wahrscheinlich auch nicht, oder?

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2 thoughts on “Die unterschiedliche Geschwindigkeit der Zeit

  1. Schöne Erklärung.
    Meine Theorie ist sicherlich nicht so schick wie Deine und ich kann sie schonmal gar nicht so geschickt in Worte fassen aber ich glaube, dass es auch etwas damit zu tun hat, dass man einfach noch andere Meilensteine als Kind und jugendlicher hat.

    Wechsel von Schule auf weiterführende Schule
    Mofa / Roller Führerschein
    Bier trinken erlaubt
    Volljährigkeit
    Abitur (ich hab gehört es gibt Menschen die das mit 18 machen.Ich will mal so sagen, meine Zeit verlief da etwas langsamer)
    Autoführerschein
    Studium

    und dann? Eine lange Zeit arbeiten bis die Rente kommt… falls noch welche da sein sollte.

    Deshalb finde ich es gut Ziele zu haben. Nicht im Sinne von – Sonntags gehe ich immer zum Bäcker und jeden vierten Sonntag hole ich Kuchen. Oder Einmal im Quartal…. was auch immer.

    Ich schreibe meine Ziele auf. Einmal im Jahr. Persönliche und berufliche. Die Ziele müssen nicht immer nach einem Jahr abgearbeitet sein sondern können auch mal länger dauern. Mein “auswandern nach Hawai’i” Ziel hat 20 Jahre gedauert – zugegebenermaßen fertige ich die Liste aber erst seit 5 Jahren an.
    Ich bewahre die alten Listen auf und streiche, aktualisiere die neuen. So habe ich für mich auch einen Überblick was ich geschafft habe und was noch ansteht.

    Ich rechne also nicht in Zeit – zumindest rede ich mir das ein – sondern in Zielen / Meilensteinen.

    Am Ende kommt es auf das selbe heraus. Klappe zu Affe tot. Aber einmal im Jahr nehme ich mir die Zeit, setze mich hin – auch gern mit Pfeife- und überlege was ich als nächste machen will. So habe ich immer Ziele die ich mir überlegt habe und schriftlich festgehalten habe.

    Es tut gut zu sehen was innerhalb eines oder mehrerer Jahre zu schaffen ist und erleichtert mir den Rückblick auf bereits erreichtes. Denn in unserer schnelllebigen Zeit vergessen wir einfach viel zu viel schönes.

    Aloha

    • Das mit den Zielen habe ich auch mal ne Zeit lang gemacht. Vielleicht sollte ich auch wieder damit anfangen….
      Aloha, du Nase!

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