Zeit für die unschönen Dinge im Leben

Es gibt Termine, die werfen einen langen Schatten voraus. Und je näher sie rücken, desto dunkler und unangenehmer wird ihr Schatten. Für mich ist der 15. Mai einer dieser Termine. Nun liegt das weder daran, dass es ein 15. Mai war, an dem 1940 das erste McDonald’s Restaurant eröffnet wurde, noch an der Tatsache, dass Mickey Mouse ihren ersten Filmauftritt zwölf Jahre zuvor an eben diesem Tag hatte. Ganz im Gegenteil habe ich nichts gegen Mickey Mouse und auch nichts gegen McDonald’s. Gut, das mit der Currywurst, das hätte nicht sein müssen, wenn Ihr mich fragt. Aber sei’s drum. Was mir jedes Jahr aufs Neue die Zeit vor dem 15. Mai verleidet, ist die Fälligkeit meiner Steuererklärung an eben diesem Tage.

Eigentlich wollte ich heute über sie hier schreiben, aber das hole ich nach!

Ich weiß, ich weiß: Ich sollte mich nicht über diese Bürgerpflicht ärgern. Erstens trifft sie alle gleich. Zweitens kann ich ja ohnehin nichts daran ändern. Was also rege ich mich auf? Warum akzeptiere ich nicht einfach die Tatsache, dass eine Steuererklärung nun einmal gemacht werden muss und mache sie einfach.

Nun ja, das sagt sich so einfach. De facto benötige ich einen ganzen Tag, mitunter sogar zwei Tage, um allen bürokratischen Spitzfindigkeiten gerecht zu werden. Das ist Lebenszeit! Verdammt, die Leute machen sich darüber Sorgen, dass Rauchen das Leben verkürzt. Jemand sollte mal ausrechnen, wie viele Jahre wir sinnlos mit Steuererklärungen zubringen. Das reduziert die Lebenszeit. Zumindest die Zeit, in der man sein Leben genießen kann.

So dachte ich wenigstens bis letzte Woche. Denn da ist etwas geschehen, das mich nachdenklich werden ließ.

Die Sache begann mit einem Fehlkauf. Ich wollte Euch eine ganz besondere Pfeife vorstellen, die mir drei ganz besonders liebe Menschen aus ihrem Jamaika-Urlaub mitgebracht haben. Mein Plan sah vor, die Pfeife in einem einzigartigen Set-up mit dem passenden Tabak, einem passenden Getränk, ja sogar mit der passenden Musik im Hintergrund einzurauchen und Euch im Anschluss davon zu berichten. Nun ja, die Sache scheiterte bereits am Tabak. Statt des erwarteten Sommertabaks mit karibischem Flavor ein extrem süßliches Pflaumenaroma. Ausgerechnet Pflaumen! Sehr süß aromatisierter Tabak ist ohnehin nicht wirklich mein Geschäft und dann noch Pflaume! Die Sache mit dem perfekten Set-up hatte sich damit erst einmal erledigt.

Aber die Pfeife brannte nun einmal schon. Also was tun? Den Tabak so schnell es geht wegrauchen? Na, das würde einen herrlichen Zungenbrand geben! Wieder hoch in die Wohnung, die Pfeife reinigen und neu beladen? Nein, so viel Zeit hatte ich nicht. Mithin entschloss ich mich dazu, das Beste aus der Situation zu machen. Ich nahm die Dinge, wie sie nun einmal waren, nahm mir die Zeit und versuchte diesen ungenießbaren Tabak zu genießen. Halt, halt! Ich muss mich korrigieren. Denn genau genommen versuchte ich nämlich gar nicht den Tabak zu genießen, sondern das Ritual des Pfeiferauchens selbst. Und siehe da: es klappte. Sogar mit dem ungeliebten Pflaumentabak. Ich werde es nicht noch einmal mit ihm versuchen, aber dieses eine Mal klappte es.

Diese überraschende Wendung machte mich nachdenklich. Wenn es möglich war, etwas so Unschönes wie einen extrem süßen Pflaumentabak zu genießen, indem man sich darauf einlässt und sich sogar noch großzügig Zeit dabei nimmt, war es dann vielleicht sogar möglich das Anfertigen einer Steuererklärung wenn nicht zum Genuss, so doch wenigstens erträglich zu machen? Vielleicht indem ich mir wie beim Pflaumentabak ein Ritual erfinde, für das die Steuerklärung gleich dem Pflaumentabak nur so etwas wie eine Zutat wäre?

Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass dieses Ritual bereits existierte. Im letzten Jahr hatte ich mir erstmals ein ganzes Wochenende für meine Steuererklärung reserviert. Die Familie war bei den Schwiegereltern, und ich hatte Zeit und Ruhe für meine Steuererklärung. Und – Ihr glaubt es nicht! – gerade die Tatsache, dass ich mir so viel Zeit einräumte, machte die Sache erträglich. Ich wollte es nicht wie sonst so schnell als möglich hinter mich bringen, sondern ich nahm mir Zeit so wie man sich für etwas, das man genießen will, Zeit nimmt. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, es sei eine schöne Zeit gewesen. Nein, nein. Aber ich war längst nicht so gestresst wie sonst. Am Ende meines Steuererklärungs-Klausurwochenendes war ich sogar ein wenig entspannt.

Ich werde es dieses Jahr noch einmal auf diese Weise versuchen. Und vielleicht verliert die Sache dadurch ja ein wenig von ihrem Schrecken. Ich jedenfalls bin zuversichtlich. Wer einen Pflaumentabak genießen
kann, der kann alles genießen!

 

p.s.: Versteht mich bitte nicht so, dass ich grundsätzlich etwas gegen Pflaumentabake hätte. Es ist nur so, dass ich ganz persönlich das Pfaumenaroma, wie übrigens auch das Vanillearoma, einfach nicht mag, wenn es allzu dominant auftritt. Also kein Grund für Euch, Pflaumen- (oder Vanille-) Tabake zu verschmähen, wenn sie Euch schmecken.

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