Es gibt Begegnungen, auf die man sich vorbereiten kann. Ein Vorstellungsgespräch, ein Versöhnungsgespräch oder ein Rendezvous, ein schwieriges Gespräch unter Kollegen oder mit dem Chef. All das sind Begegnungen mit anderen Menschen, die nie ganz geplant verlaufen. Aber völlig unberechenbar sind sie deshalb nicht. Dagegen gibt es Begegnungen, da glaubt man, man sei gut vorbereitet, nur um festzustellen, dass das Unvorstellbare eintritt. So ein Erlebnis hatte ich in der letzten Woche.
Letzte Woche begegnete ich dem o-beinigen Bär. Und obwohl ich mich gut vorbereitet hatte – ich hatte gut gegessen und mein Messer dabei –, verlief diese Begegnung nicht annähernd meinen Erwartungen entsprechend.
Die ganze Sache hat allerdings eine Vorgeschichte. Bevor ich Euch also von jener völlig aus dem Ruder gelaufenen Begegnung mit dem o-beinigen Bären berichte, will ich Euch zunächst diese Vorgeschichte erzählen.
Alles begann mit einem Blogbeitrag auf pfeifengeniesser.de. Dort attestierte der Autor DanHill der US-Firma Cornell & Diehl, dass sie geradezu „legendär“ sei und die „’abenteuerlichsten’ Mixturen mit entsprechenden fantasievollen Namen“ kreiere. Das zog mein Interesse auf sich. Nach mehreren Besuchen der Website von Cornlell & Diehl hatte ich mich für zwei Tabake entschieden: Automn Evening, eine Mischung aus rotem Virginia und Cavendish mit einem Ahornsirup-Aroma und Bow Legged Bear – der o-beinige Bär, ein gebackener Tabak aus Latakia, rotem und hellem Virginia, Perique, Turkish und Black Cavendish.
Schnell war mir jedoch klar, dass ich an diesen Tabak in Deutschland nicht so einfach herankäme. Immerhin führen deutsche Tabakgeschäfte Cornell & Diehl grundsätzlich nicht. Meine erste Anlaufstelle war deshalb auch der Online-Shop des Tabakhauses Portmann aus Kreuzlingen in der Schweiz. Leider liefert Portmann nicht nach Deutschland. Mithin musste doch ein amerikanischer Shop her. Zunächst versuchte ich es bei http://www.4noggins.com/, die jedoch meine Kreditkarten nicht akzeptierten. Bei http://www.smokingpipes.com/ klappte es dann schließlich doch noch, und am 11.01. ging meine Bestellung raus.
Fast drei Wochen später trudelte das Päckchen dann ein – weder der Zoll noch die Zusammenarbeit des US Postal Service mit dem deutschen Logistiker hatte Schwierigkeiten gemacht. Vielleicht lag das daran, dass ich smokingpipes.com darum gebeten hatte, die Rechnung in Klarsichtfolie außen am Paket anzubringen, damit der Zoll sie einsehen konnte. Vielleicht waren das aber auch einfach nur Profis. Wer weiß das schon? Jedenfalls kam das Paket nach drei Wochen endlich bei mir an.
Drei Wochen, die ich zur intensiven Vorbereitung nutzte. Ich wusste, der Bow Legged Bear, den ich definitiv zuerst probieren würde, war ein starker Tabak. „Auf keinen Fall auf leeren Magen rauchen“, hieß es in diversen amerikanischen Youtube-Beiträgen. Auch machte ich mich schlau, wie man einen Tabak-Cake raucht: Man schneidet mit einem Messer einen Querstreifen ab, stapelt ihn in die Pfeife, zerbröselt einigen Tabak darüber, um eine Glutschicht zu schaffen. Fertig!
Nach einem üppigen Mittagessen und bewaffnet mit einem Taschenmesser sowie den üblichen Pfeifenutensilien machte ich mich dann auf in die Smoker Lounge von Peter Heinrichs in Köln, um mich dort dem o-beinigen Bären zu stellen.
Zuvor machte ich mir allerdings noch so meine Gedanken, warum dieser Tabak Bow Legged Bear heißt. Die Dose zeigt einen aufrecht gehenden, aber o-beinigen Bären mit Jeans, Hosenträgern, einem Hut und – natürlich – einer Pfeife von hinten. Er geht gerade von irgendwo weg, schaut aber über die Schulter zurück. Doch zurück worauf?
So wie dieser Bär wirkt, so wie er geht und hinter seiner Schulter zurück lugt – so kam er mir vor, wie das, was man umgangssprachlich einen „Schlingel“ oder ein „Schlitzohr“ oder – ja auch das! – einen „Schurken“ nennt.
Das Werk des o-beinigen Bären, das Werk, nach dessen Verrichtung er sich eine Pfeife angemacht hat, das Werk, auf das er mehr grimmig als stolz zurück blickt – dieses Werk konnte unmöglich etwas Gutes gewesen sein. Sein Werk war definitiv etwas, das gemeinhin mit Lauten wie „Uff“ und mit Worten wie „starker Tobak“ kommentiert würde.
Ich war also ausreichend gewarnt, als ich letzten Mittwoch zu meinem Date mit dem o-beinigen Bären ging. Auch wenn ich nicht sagen würde, dass ich meine eigenen Warnungen in den Wind schlug, so muss ich dennoch zugeben, dass ich den o-beinigen Bären gewaltig unterschätzt habe.
In der Lounge angekommen, öffnete ich die Dose. Sofort griffen Perique- und Latakianoten nach meinen Sinnen. Ich packte den Tabak ganz aus, der sich in etwa wie zwei kleine Brownies ausnahm, und stopfte meine Mastro Beraldi. Das Zünden gelang mir erstaunlich gut. Drei, vier Züge genoss ich den vollen, kräftigen und würzigen Geschmack: Erdig und torfig ähnelte er dem einer extrem starken Zigarre. Latakia, Perique und Virginia entfalteten ihr kraftvolles Aroma. Dann biss der o-beinige Bär zu.
Das Nikotin packte mich mit solcher Wucht, dass ich mich mit einem „Uff!“ in den Sessel zurück fallen ließ. Ich weiß noch, dass ich dachte „Verdammt starker Tobak!“ Aber ich dachte auch, dass es gar nicht sein konnte, dass mich wenige Züge schon aus dem Sattel warfen. Also disziplinierte ich mich. Nach einer kurzen Pause trat ich dem o-beinigen Bären abermals entgegen und zündete erneut.
Eines kann ich Euch sagen: Das war mit weitem Abstand der stärkste Tabak, den ich jemals geraucht habe. Ich kann mir gut vorstellen, dass an jenem Mittwoch in Köln EU-Nikotingrenzwerte überschritten wurden. Ja, ich bin überzeugt davon.
Und als ich – in meinem geistigen Blaunebel watend – die Smoker Lounge verließ, sah ich mich über die Schulter noch einmal nach dem o-beinigen Bären um. Aber er war nicht hinter mir. Er war in mir. Ich selbst war in diesem Augenblick der o-beinige Bär und blickte mehr grimmig als stolz zurück auf den Ort meiner Schandtat. Inzwischen ist der o-beinige Bär wieder fort, ich bin wieder ich. Und darüber bin ich einigermaßen erfreut.
Der Genuss des Bow Legged Bear war recht eigentlich mehr eine Erfahrung als ein Genuss. Eine Erfahrung, die mir eine neue Facette des Genießens gezeigt hat, aber auch eine Erfahrung, von der ich mir nicht sicher bin, ob ich sie wiederholen möchte. Auch wenn man weiß, was einen erwartet, ist die Begegnung mit dem o-beinigen Bären doch immer wie ein Kampf mit einem wilden Tier: der Ausgang ist ungewiss.
Hi Patrick,
klasse, total nett erzählt, deine Begegnung mit dem “bow-legged Bear”.
Ich hatte übrigens nicht geschrieben, daß die Tabake für “Weicheier” sind.
Aber ernsthaft, die Tabake von Cornell & Diehl und GL Pease sind alle (Nikotin) stark. Wenn dann noch geurteilt wird, daß einer besonders stark ist, dann heißt es wirklich aufpassen. Die von McClelland sind nach meiner Erfahrung etwas Nikotin schwächer, “normaler”.
Ich vertrage auch nicht viel Nikotin und bin auch noch nur Gelegenheitsraucher. Inzwischen komme ich aber mit den Tabaken recht gut zu Recht. Ich darf aber keinesfalls einen Lungenzug machen. Das Anzünden verteile ich auf mehrere sanfte Durchgänge, bei denen der Tabak nur ganz sachte entflammt wird. Ich versuche zu vermeiden, daß beim Anzünden diese typischen riesigen, fetten Rauchwolken entstehen, da diese natürlich gleich besonders viel Nikotin verabreichen. Wenn ich erstmal eine “Überdosis” abbekommen hat, dann ist es zu spät. Auch beim weiteren Rauchen muß man darauf achten. Immer nur ganz sachte ziehen. Es kommt auch dem Geschmack zugute.
Inzwischen finde ich, daß ein leichter, kontrollierter Nikotin-Tick bei diesen Tabaken dazu gehört. Es ist wie beim Genuß einer starken Spirituose. Die kann ich auch nicht auf einen Zug leeren. Dann haut’s mich um. Immer ein bißchen Nippen und auf Körperreaktionen achten.
Aber so einen starken Plug, wie den “bow-legged Bear” habe ich noch nicht geraucht. Da kann ich also gar nicht mitreden, muß ich wohl auch einmal probieren.
Der Autumn Evening müsste eigentlich zahmer sein. Wie war bei diesem deine Erfahrung?
Gruß
DanHill
Hi DanHill.
vielen für deinen schönen Kommentar!
Der Autumn Evening ist wirklich schwächer, wenn auch im Vergleich zu hiesigen Tabaken ziemlich stark. Also ebenfalls nix für Weicheier
Allerdings hat er ein ganz anderes, wirklich interessantes Aroma: irgendwie rauchig-süß, finde ich. Sehr empfehlenswert, wenn Du aromatische Tabake magst, die nicht allzu düß sind. Ich rauche ihn jetzt schon seit einiger Zeit regelmäßig.
Herzliche Grüße
Patrick