Nun ist es also soweit: Das neue Jahr hat begonnen, das alte Jahr ist vorüber. Neujahr fühlt sich irgendwie immer an wie ein Neuanfang, nicht wahr? Es ist die Zeit vergangenes Übel zurückzulassen, um aufzubrechen zu einer Reise hin zu neuen Ufern. Wo diese Ufer liegen und was uns dort erwartet, ist freilich noch ungewiss. Aber in den ersten Tagen des neuen Jahres stört uns das nicht. Wir sind zuversichtlich, die Zukunft ist ein Freund, der uns eingeladen hat. Sie wartet auf uns wie ein weißes Blatt Papier auf einen Autor oder eine noch ungerauchte Pfeife auf einen Raucher.Nun ist es aber so, dass uns auch die Vergangenheit immer und immer wieder einlädt. Sie macht sich in der Erinnerung recht hübsch zurecht und wirkt dabei oft viel attraktiver und geheimnisvoller als sie de facto ist. Das allerdings erkennen wir erst, wenn wir ihre Einladung zuungunsten der Zukunft annehmen.
Zu den geheimnisvollen und attraktiven Facetten der Vergangenheit, durch die sie uns so sehr lockt, gehören auch die Mythen und Legenden, die sich um die verschiedensten Dinge ranken und sie vor der Wahrheit behüten wie die Dornenhecke das Dornröschen. Alte Geschichten, überliefert und bewahrt von Vorgängern und Vorfahren.
Was das Pfeifenrauchen anbelangt, so gibt es kaum eine Sache, um die sich mehr Mythen und Legenden ranken als um das Einrauchen einer neuen Pfeife. So soll es etwa immer noch Pfeifenraucher geben, die die Brennkammer ihrer neuen Pfeife mit Honig oder Rum einfeuchten, um das Bilden einer Schutzschicht im Inneren zu beschleunigen. Jedenfalls lese ich das hin und wieder in diversen Internetforen zum Thema.
Eine andere, aber ebenso hübsche Geschichte ist die von der so genannten Drittelmethode. Hierbei handelt es sich um eine ziemlich konkrete Anleitung zum Einrauchen einer Pfeife, die sich in etwa folgendermaßen zusammenfassen lässt. Zunächst wird die neue Pfeife nur zu einem Drittel mit Tabak gefüllt und fünfmal sehr vorsichtig geraucht. Danach raucht man sie fünfmal mit einer Zweidrittel und fünfmal mit einer vollen Brennkammer und – voilà! – die Pfeife ist eingeraucht. Der Sinn dieser Drittelung erschließt sich mir indessen nicht. Die Verfechter dieser Methode insistieren jedenfalls darauf, dass sich das Pfeifenholz dergestalt optimal an die Hitze, die beim Rauchen entsteht, gewöhnt.
Ins Reich der fast schon düsteren Legenden gehört dagegen die Geschichte von der ausgehenden Pfeife. Folgt man hier der Überlieferung, so darf die Glut in der Pfeife während des Einrauchens niemals erlischen. Geschähe dies dennoch, so werde die Pfeife in Zukunft immer an dieser Stelle ausgehen. So haben wir es beim Einrauchen gleichsam mit einer Art schwarzen Magie zu tun, mit deren Hilfe wir unsere neuen Pfeifen gewollt oder ungewollt mit einem bösen Fluch belegen, wenn wir nicht aufpassen: Dem Fluch des Erlischens.
Neben diesen drei Mythen gibt es gewiss noch eine ganze Reihe weitere Legenden. Sie alle haben ihren Charme. Besonders die mit dem Fluch gefällt mir. Wie auch immer dem sei, sie gehören vermutlich zu dem Teil der Vergangenheit, den man am besten hinter sich lässt. Ich jedenfalls habe das in den letzten Wochen beim Einrauchen meiner neuen Peter Heinrichs Jahrespfeife getan. Dabei ist jedoch etwas geschehen, das vielleicht den Stoff zu einem neuen Mythos über das Einrauchen geben könnte.
Wie Ihr vermutlich wisst, versehen die meisten Hersteller heutzutage die Brennkammern ihrer Pfeifen mit einer so genannten Einrauchpaste, wodurch im Inneren eine schwarz-graue Schutzschicht entsteht. Hier kann – das darf ich aus Erfahrung sagen – nichts schiefgehen beim Einrauchen, Ihr solltet bei den ersten Malen, die Ihr Eure neue Pfeife raucht, ein wenig darauf achten, dass Ihr Euer Rauchgerät nicht zu heiß werden lasst. Ansonsten könnt Ihr munter drauflos qualmen.
Ein wenig anders liegen die Dinge, wenn Euch aus dem Inneren des neuen Pfeifenkopfes das helle, unbehandelte Bruyereholz anlacht. Dann ist vermutlich etwas mehr Vorsicht geboten.
Einige Tage vor Weihnachten kaufte ich mir die wunderschöne Jahrespfeife von Peter Heinrichs, ein älteres, handgefertigtes Modell aus Italien mit Silberapplikationen und – ohne Einrauchpaste in der Brennkammer. Da war beim ersten Rauchgenuss natürlich allerhöchste Vorsicht geboten.
Ich entschied mich dazu, möglichst unbeeindruckt von allen Mythen und Legenden zu verfahren. Ich wählte einen Tabak, der nicht besonders stark aromatisiert ist und von dem es mir nichts ausmacht, wenn ein wenig seines Geschmacks immer in der Pfeife bliebe. Außerdem nahm ich mir vor, die Pfeife unter keinen Umständen heiß werden zu lassen. Mehr tat ich nicht, um das Einrauchen erfolgreich zu meistern.
Das heißt – Halt! – genau genommen tat ich noch etwas, aber das geschah nicht wirklich bewusst, und den Zusammenhang zum Einrauchen stellte ich auch erst einige Tage später fest.
Die Sache war nämlich die: Der Zufall wollte es, dass am Tag, da ich meine neue Pfeife erworben hatte und einzurauchen gedachte, der 1. Kölner Pfeifenclub in der Genusslounge von Peter Heinrichs tagte und ich als Mitglied natürlich ebenso.
Wie meistens bei solchen Gelegenheiten geriet ich in Gespräche. So auch dieses Mal. Es war ein gutes Gespräch mit Ulli, der letztes Jahr um dieselbe Zeit in den Club eingetreten ist wie ich. Wir sprachen über Pfeifen, Tabake und auch ein wenig über Politik und Wirtschaft. Und ohne dass ich es so recht mitbekam, hatte ich meine neue Pfeife das erste Mal geraucht.
Etwas Ähnliches geschah, als ich sie das zweite Mal rauchte. Es war kurz nach Weihnachten. Meine Frau Angelika begleitete mich ausnahmsweise auf meinem abendlichen Pfeifenspaziergang. Wir sprachen über dies und das, und ließen unser gemeinsames Jahr Revue passieren. Am Ende meiner Runde, hatte ich meine neue Pfeife zum zweiten Mal geraucht. Und wieder war ich dabei in ein gutes Gespräch vertieft, und wie beim ersten Mal auch, hatte ich ganz vergessen, dass ich die Pfeife einrauchen musste.
Nun, um es gleich vorwegzunehmen, meiner Peter Heinrichs Jahrespfeife geht es gut. Sehr gut sogar. Sie ist vortrefflich eingeraucht. Das Geheimnis dieses Einrauchens ist allerdings nicht, dass es gewissermaßen ohne Methode geschehen ist. Nein, nein. Das Geheimnis dieses Einrauchens liegt darin begründet, dass es während guter Gespräche geschehen ist. Gespräche, während der ich zuhörte und somit Zeit hatte zum Rauchen, zugleich aber auch etwas aktiv zum Gespräch besteuerte, was das Heißrauchen der Pfeife verhinderte. Ich war sogar teilweise so gefesselt von den Gesprächen, dass ich nachzünden musste, weil die Pfeife inzwischen ausgegangen war. Und bei beiden Gesprächen war die Atmosphäre so angenehm, dass das Rauchen weiterhin ein Genuss blieb und ich die Pfeife nicht weglegte.
Dieser Umstand hat mich nachdenklich gemacht. Kann es etwa sein, dass man eine Pfeife am besten bei einem guten Gespräch in angenehmer Atmosphäre einraucht? Erledigt sich dann etwa alles wie von selbst, weil das Gespräch wie ein Regulativ auf die Rauchgeschwindigkeit und damit auf die Temperatur in der Brennkammer wirkt? Das wäre doch ein erstklassiger neuer Mythos für künftige Pfeifenraucher, oder etwa nicht? Der Mythus könnte ungefähr so erzählt werden: Rauche eine Pfeife zum ersten Mal niemals, wenn du alleine bist. Rauche sie mit einem Freund oder Vertrauten oder sonst wem, mit dem du ein gutes Gespräch führen kannst. Und dann redet miteinander, und die Pfeife raucht sich gleichsam von selbst ein. Aber sei gewarnt. Ein langweiliges oder unbehagliches Gespräch führt dazu, dass Du zu schnell oder zu oft an Deiner Pfeife ziehst. Sie wird zu heiß!
Ich werde jedenfalls alle Pfeifen, die ich mir in diesem neuen Jahr 2014 zulegen werde, bei einem guten Gespräch einrauchen. Das soll mein Beitrag sein zum nächsten Kapitel der mythenreichen Geschichte des Einrauchens. Die Zukunft des Einrauchens hat begonnen! Es wird nicht mehr durch Kontrolle und Methode dominiert, sondern durch Kommunikation und Zwischenmenschlichkeit. Kurzum: Einrauchen wird Teamwork. Zumindest nehme ich mir das vor. Mal sehen, ob’s klappt.
Ein fröhliches guten Morgen.
Just in diesem Moment öffne ich das Paket meiner neuen lesepfeife.
Ich habe mir vorgenommen jeden Tag beim Spaziergang mit meinem Hund, einem neuen schönen Platz zu suchen an dem ich mir mein pfeifchen stopfe.
Und da ich vor wenigen Minuten deine tollen Beiträge gelesen habe, werde ich nun auch einen guten Freund mit zum spazieren nehmen.
Mein timberwolf ist zwar auch ein guter Gesprächspartner, jedoch schwindet seine Aufmerksamkeitsspanne mit steigender Hasenanzahl der Umgebung.
Ich danke ganz herzlich für deine Texte, aus irgendeinem Grund lese ich derzeit pfeifen Reviews als wären es Romane
Einen wundervollen sonnigen Tag, dir und um Grunde auch allen! Anderen Menschen.
.
Jah bless
Odin wacht
Kevin Adolf
Hey Kevin, vielen Dank für Deinen Kommentar! Genieß die Zeit mit der Pfeife! Alles Gute!
Patrick
Lieber Autor!
Der Artikel ist zwar schon älter, aber da noch keine Kommentare unter ihm zu finden sind, sah ich mich bemüßigt einen zu verfassen. Wundervoller Artikel, ich hab mich sehr amüsiert.
Durch Zufall bin ich hier gelandet – ich hab erst kürzlich eine neue Pfeife erworben, die ohne Einrauchpaste daherkommt und da ich mich mit dem Vorgang des Einrauchens noch nicht so intensiv auseinandergesetzt habe (da ich noch nicht so viele Pfeifen besitze) durchstöberte ich das Netz nach Beiträgen zum Thema Einrauchen. Der hier vorgestellte Ansatz war bei weitem der kreativste, ich bin zugegebenermaßen unschlüssig, ob ich mich mit meiner pfeife nun in ein gutes Gespräch begeben soll, damit ich dem neuen Mythos gerecht werde
Beste Grüße
Maximilian M.
Lieber Maximilian, danke für den Kommentar. Ich gebe zu: so ganz risikofrei ist meine Methode nicht – aber dafür unterhaltsam
Herzliche Grüße
Patrick